DIE BASTIONSFESTUNG „ALBA CAROLINA”, DIE SKULPTUREN

DIE BASTIONSFESTUNG „ALBA CAROLINA”,  DIE SKULPTUREN

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DIE SKULPTUREN
 

In der Militärarchitektur des 18. Jahrhunderst stellt die Karlsburger Festung eine einzigartige Errungenschaft dar. Einerseits haben sie das Volumen und die Einzelheiten der erbrachten Bauarbeiten zu einer der am besten befestigten Burganlagen in Südost-Europa gemacht, andererseits machen sie der Reichtum und die Verschiedenheit des plastischen Dekors zu einem der Unikate der Gattung. Nirgendwo anders im östlichen Europa kann man eine so eigenartige Assoziation zwischen der Würde und der Massivität der Backsteinmauern mit den dekorativen Eigenschaften des Steines antreffen.

Nichts unangebrachteres für eine Festung mit defensiver Rolle, die ihre Stärke vor dem Feind beweisen musste, als ein zerbrechliches Dekor aus Stein zu zeigen, das vor allem bei den Eingangstoren angebracht war, die als die Schwachpunkte der Festung galten oder an den Spitzen oder den Flanken der Befestigungselemente einer Festungsanlage (Basteien, Ravelins, Strebemauer). Genau diese unerhörte Assoziation der Befestigungselemente und dem plastischen Dekor machen die Karlsburger Festung zu einem einzigartigen Beispiel in der Militär-Baukunst.

Zu Ehren derer, die den Bau der Karlsburger Festungsanlage haben angehen lassen oder an den Arbeiten mitgewirkt haben, wurden Steinmetzmannschaften unter der Leitung der Meister Johann König, Giuseppe Tencalla, Johann Vischer beauftragt, die Haupttore und die Hauptelemente des Festungskörpers (Basteien, Ravelins, Strebemauer) mit Reliefs und Skulpturen zu schmücken, welche die Heldentaten der Antike, Personifizierungen der Tugenden, Waffen der betreffenden Zeit, Auszüge aus den österreichisch-türkischen Kriege, Kriegstrophäen usw. zeigten – Motive, welche mit der Überschwänglichkeit des zentraleuropäischen Barock ausgearbeitet wurden.

Die Tatsache, dass die Ausarbeitung des bildnerischen Dekors der Karlsburger Festung österreichischen Bildhauer- und Steinmetzmannschaften anvertraut wurde, beeinflusste das gesamte ikonografische Programm, was die Auswahl der Thematik und die Art der Wiedergabe angeht; die Modelle waren Schöpfungen der wienerischen Baustellen, welche vorrangig in Mittel- und West-Europa verbreitet waren. Die Atlantenfiguren dekorieren die Fassaden der Paläste Liechtenstein, Eugen von Savoyen, Kinsky und Trautson, Kriegstrophäen sind im Invaliden-Hotel in Buda oder dem Berliner Kriegsarsenal anzutreffen und die Statue des Karl VI. findet seine Analogien in der Wiedergabe des Berliner Kurfürsten, des Spanischen Königs oder des Österreichischen Kaisers Josef I, etc. wieder.

Nichtsdestotrotz sind die übertriebenen Merkmale des österreichischen Barock (der Hang zum Monumentalen, theatralische Tendenzen, die Groteske oder gar die Monstrosität) einigermaßen zurückhaltend wiedergegeben, die Übertreibungen wurden durch die lokale Eigentümlichkeit und den Zweck des Baus temperiert. Bei der Karlsburger Festung haben wir es mit einem Militär-Barock zu tun, mit einer dekorativen Militär-Skulptur, welche einer Abwehrarchitektur dienten.

Um ein Bild der Stärke, der absolutistischen Kraft und der Verherrlichung des Kaisers Karl VI. wiederzugeben, wurden alle dekorativen Elemente aufgenommen, welche diesem Zweck dienten: das Reiterstandbild des Kaisers als Bezwinger der Türken und die obsessive und wiederholte Wiedergabe der Insignien der staatlichen Macht (das österreichische Wappen) oder der kaiserlichen Macht (das Monogramm des Karl VI.) an den Basreliefs mit Kampfszenen, Heldentaten antiker oder zeitgenössischer Figuren, Waffen und Kriegstrophäen.

 

Das ornamentale Repertoire der Tore

 

Das erste Tor

Zurückhaltend, was den Detailreichtum und seine stilistische Entfaltung angeht, passt das Dekor des ersten Tores zu seinem architektonischen Konzept. Die Torfassaden wurden mit Basreliefs und Statuen geschmückt, welche Figuren der Antike wiedergeben, sowie dem kaiserlichen Wappen und zeitgenössischen Waffen.

Mythologische Schilderung der Helden und Göttlichkeiten:

Äneas, der mythische Begründer Roms und der Dynastie der Julier trägt seinen Vater, Anchises, auf den Schultern, den er aus der von den Griechen in Brand gesetzten Stadt Troja gerettet hatte. (Basrelief, äußere Fassade des Tores, über dem Seiteneingang, links).

Herkules im Kampf gegen Antaeus, der Riese den Herkules seiner Kräfte dadurch beraubte, dass er ihn in die Luft hob, dadurch seinen Kontakt zur kraftspendenden Erde unterbrach und dort erwürgte. (Basrelief, äußere Fassade des Tores über dem Seiteneingang, rechts).

Herkules bei der Erfüllung einer der zwölf Arbeiten, der Erlegung des Nemёischen Löwen (Basrelief, innere Fassade des Tores über dem Seiteneingang, links).

Perseus, das Schwert und den Kopf der Medusa, einer der Gorgonen, haltend (Basrelief, innere Fassade des Tores, über dem Seiteneingang, rechts).

Aphrodite, die Göttin der Liebe und der Schönheit in den Spiegel blickend – eines der Atribute, das ihr verliehen wurde (Statue, auf der Obeseite, über dem Mittelpfeiler, links).

Mars, Gott des Krieges und des Todes, gekleidet in einer römischen Tunika und bewaffnet mit einem Speer (Statue auf der Oberseite des Tores, über dem Mittelpfeiler, rechts).

Heraldisches Motiv:

Österreichisches Wappen mit dem gekrönten Doppeladler, in seinen Klauen die Herrschaftsinsignien tragend: das Szepter und das Schwert. Auf der Brust des Adlers wird in einem Medaillon der Orden „Goldenes Vlies" wiedergegeben und das Monogramm Karls VI. (auf der Oberseite des Tores, über dem Haupteingang).

Waffen:

Haubitzen mit massiver Halterung und kurzem Lauf, in Schussposition (auf der Oberseite des Tores, über den Seitenpfeilern).

 

Das zweite Tor

Mithilfe älterer Bilder wieder aufgebaut, gibt das zweite Tor die formellen Aspekte des ersten Tores in geringerem Umfang und mit schlichterem Dekor wieder. Das Tor setzt sich aus vier Pfeilern zusammen. Die Seitenpfeiler sind in ihrem oberen Teil mit Blumengirlanden und einer explodierenden Kanonenkugel verziert. An die Mittelpfeiler sind je ein Atlant angebaut und an deren Oberseite je ein steigender Löwe, welche das Monogramm des Kaisers Karl der VI. Präsentieren.

 

Das dritte Tor

Die Basreliefs oder Ronde-Bosse-Skulpturen des dritten Tores der Festung sind Teil eines triumphalen Programms, der dem Kaiser Karl VI. gewidmet ist, dessen Reiterbild am Kronwerk des Baudenkmals wiedergegeben wird, wo es das Hauptmotiv darstellt. Von den römischen Reiterstandbildern inspiriert, bleibt das Bildnis des Kaisers als Besieger der Türken ein Einzelbeispiel in der Barockskulptur Siebenbürgens. Dieselbe evokativ-kommemorative Rolle erfüllen auch die Basreliefs an den Fassaden der Tore, über den Fußgängereingängen. Die allseits verbreiteten Kampfszenen und die Kriegstrophäen werden an der inneren Fassade des Tores mit mythologischen Bildnissen (Atlanten) oder Personifizierungen klassischer Tugenden assoziiert.

Geschichtlich-kommemorative Schilderungen:

Das Reiterstandbild des Kaisers Karl VI., als Besieger der Türken. Angekettet, am Boden liegend oder vom Pferd niedergetrampelt, sehen die gefangenen Türken angsterfüllt und um Erbarmen flehend hinauf (die Skulpturgruppe befindet sich im Kronwerk des Tores, über dem pyramidartigen Sockel).

Der Kaiser Karl VI. übergibt dem General Eugen von Savoyen – vor dessen Kriegszug gegen die Türken – die Insignien der Ernennung: das Rapier des obersten Befehlshabers der anti-ottomanen Expedition und die Kriegsfahne, an welche eine Schärpe mit der symbolischen und mutspendenden Inschrift IN HOC SIGNO VINCES gebunden ist (Basrelief, äußere Fassade, über dem Seiteneingang, rechts.

Die siegreiche Rückkehr des Marschalls Eugen von Savoyen aus dem Krieg gegen die Türken, auf einem von zwei Löwen gezogenen Triumphwagen stehend und sein triumphaler Empfang durch eine als Victoria gekleidete Frau, welche ihm ein Modell der Festung überreicht (Basrelief, äußere Fassade des Tores, über dem Seiteneingang, links).

Heraldisches Motiv:

Das Wappen Siebenbürgens (sieben Türme, der Mond und die Sonne, ein Adlerkopf ) auf einem Schild, der auf der Brust eines gekrönten doppelköpfigen Adlers angebracht ist (Mitte der äußeren Fassade des Tores).

Waffen:

Kriegstrophäen und verschiedene Waffen (Helme, Säbel, Speere, Hellebarden, Kanonen, Trommeln, Fahnen) in barocker Vision an den beiden Fassaden des Tores wiedergegeben.

Verkörperungen der Tugenden:

Abundentia (der Frieden) mit dem Füllhorn, Gloria (die Weisheit) mit der Laterne, Justitia (die Mäßigung) mit der Waage, die Göttin der Kraft (des Krieges) mit dem Schwert. Die Fabelwesen, welche die Tugenden begleiten, können mit den Bildern der bezwungenen Laster assoziiert werden (Statuen, innere Fassade des Tores, über dem Gesims, von links nach rechts).

Kampfszenen mit evokativer Rolle:

Episode inspiriert von einem Angriff der österreichischen Kavallerie gegen die Türken, welche das Festungstor stürmen (Basrelief, innere Fassade des Tores, über dem Seiteneingang, links).

Episode inspiriert von einem Angriff der österreichischen Infantrie auf einen türkischen Artilleriestützpunkt (Basrelief, über dem Seiteneingang, rechts).

Mythologische Darstellungen:

Vier Atlanten als Männer verschiedener Altersgruppen, mit starken Körpern, die unter der auf dem Kopf getragenen Last gebeugt sind. (Statuen, vor den Pfeilern zu beiden Seiten der Toröffnungen).

Heraldische Motive:

Das Wappen des Grafen Steinville als ovaler Schild, der von einem Band mit drei Sternen durchquert wird. Die Ränder des Wappens sind mit Voluten und Ranken versehen (Basrelief, innere Fassade des Tores, über dem Seiteneingang, rechts).

Das Wappen der Familie Sforza, als ovaler Schild mit einer gekrönten Schnecke, die eine antropomorphe Figur verschlingt (Basrelief, innere Fassade de Tores, über dem Seiteneingang, links).

 

Das vierte Tor

Teilweise verziert ist das vierte Tor an der inneren Öst-Fassade mit denselben dekorativen Motiven versehen wie die vorangegangenen Tore.

Mythologische Darstellungen:

Atlanten mit starken Körpern, die teilweise mit weiten Umhängen bedeckt sind, halten über ihren Köpfen ein Kompositenkapitell über welchem der Rahmen des Tores beginnt (Statuen, zu beiden Seiten der halbkreisförmigen Öffnung).

Mascheron:

Eine symbolische Darstellung des Zornes (Furor) als eine Maske bei welcher die Gesichtszüge übertrieben und verformt werden um die von Zorn verzerrte Grimasse zu unterstreichen (mittlerer Steinblock des Torrahmens).

Waffen:

Blank- und Feuerwaffen, Musikinstrumente, Fahnen und Wimpel mit den Insignien des Kaisers Karl VI. (Basreliefs in den Lünetten des Portals).

Heraldisches Motiv:

Das österreichische Wappen – gekrönter doppelköpfiger Adler, der in seinen Klauen die wichtigsten Herrschaftsinsignien trägt: das Szepter und das Schwert. Auf der Brust des Adlers wird ein ovaler Schild von einem Band in zwei unverzierte Felder geteilt (Basrelief, unter dem Gesims).

Die Verzierung der verschiedenen Elemente der Festungsanlage (Basteien, Ravelins, Strebemauer)

 

Die Eugen-von-Savoyen-Bastei (Heiliger Eugen)

Heraldisches Motiv:

Das Wappen des Fürsten Eugen von Savoyen, umrahmt von zwei Meerjungfrauen. Über dem ovalen Schild mit leerem Feld ist die Fürstenkrone auf einem Löwenkopf angebracht. Ein Phylakterium mit gewundenen Enden trägt die Ehreninschrift: In honoreM heroICI prinCIpis / eVgenii De SabaVDIa / (Skulpturengruppe am oberen Ende der Bastei).

Die Bastei des Grafen von Steinville (Heiliger Stefan)

Heraldisches Motiv:

Das Wappen des Grafen von Steinville, von zwei anthropomorphen Figuren umschlossen, welche zur einen Hälfte menschlichen und zur anderen tierischen Ursprungs sind. In der Mitte des Medaillons wird das Lothringer Kreuz wiedergegeben (mit gleichen Balken, die an den Enden gespalten und abgerundet sind – als Anker). Über dem Wappen waren ursprünglich die Grafenkrone und eine groteske Figur zu sehen. Neben den äußeren Voluten besitzt das Wappen über ein ausgerolltes Phylakterium mit der Inschrift in Akrostichon: OPVS ab InDVstria / CoMItis a`SteinVILL / (Skulpturengruppe am oberen Ende der Bastei).

 

Die Trinitarierbastei (Heilige Dreieinigkeit)

Heraldisches Motiv:

Schild mit zentralem Abzeichen, dessen Feld vielfach geteilt ist. Von den Symbolen sind noch zu erkennen: ein Torturm, ein steigender Löwe und mehrere Kreuzarten. Über dem Emblem befindet sich eine menschenähnliche gekrönte Figur und an den Seiten vegetal-geometrische Figuren, die aus dreifachen Voluten mit Girlanden und Glöckchen gebildet sind (Skulpturgruppe, am oberen Ende der Bastei).

 

Die Bastei des Heiligen Michael

Heraldisches Motiv:

Österreichisches Wappen mit dem kaiserlichen Doppeladler, der auf der Brust ein Schild trägt, dessen unverziertes Feld von einem Band durchquert wird. Die Fabeltiere, welche das Emblem umrahmen sind hybride Darstellungen gebildet aus Voluten und Reptilienköpfen deren reiche Mähne einen männlichen Oberkörper mit starken Armen, die in Klauen enden, bedecken (Skulpturengruppe, an der Krönung der Bastei).

Über der Steinplattform befindlich, ist die Statue des Erzengels Michael der einzige Zeuge dieser Art, der auf der Krönung eines der Festungsteile erscheint und mit dessen Hilfe sich die Fachleute ein Bild über die Bedeutung der figurativen Plastik in der Ornamentik der Basteien machen können.

 

Die Bastei Karl VI. (Der Heilige Carlo Borromeo)

Heraldisches Motiv:

Das Monogramm des Kaisers Karl VI., im Feld eines Medaillons, der von den überdimensionierten Armen einer männlichen Büste (Torso) gehalten wird. Zu beiden Seiten des Emblems befinden sich zwei bizarre Tiere, deren Köpfe mit reichen Mähnen aus Voluten emporsteigen (Skulpturgruppe, an der Spitze der Bastei).

 

Die Bastei der Kaiserin Elisabeta Cristina (Heilige Elisabeta)

Heraldisches Motiv:

Medaillon in dessen Feld ein steigender Löwe abgebildet ist (auf den Hinterbeinen stehend), der kein Atribut in den Klauen hält. Über dem Emblem befindet sich die kaiserliche Krone und darunter ein Mascherone (Skulpturgruppe, an der Spitze der Bastei).

 

Die Bastei Siebenbürgens (Heiliger Capistrano)

Heraldisches Motiv:

Das Wappen Siebenbürgens (die sieben schwebenden Türme) und Ungarns (das Doppelkreuz welches aus einer Krone emporwächst, die auf einem Hügel liegt), assoziiert im Feld eines Schildes. Darüber ist die kaiserliche Krone angebracht, zu jeder Seite des Wappens befindet sich je eine Meerjungfrau (Skulpturengruppe an der Spitze der Bastei).

Die Konsolen in den Flanken der Basteien verzieren menschenähnliche, mythologische und tierische Darstellungen (menschliche Köpfe, Satyrenköpfe, Löwen- und Pferdeköpfe).

Die Konsolen der Ravelins Heiliger Franziskus von Paula, Heiliger Carol Borromeo, Heilige Elisabeta, Heiliger Capistrano und die Strebemauer vor ihnen sind mit grotesken Masken und hybriden Monstern versehen.


FOTOS

HISTORISCHE ERBE